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Rückblick GegenBuchmasse 2018:

11. Oktober 2018:

„Fassbinder, Immobilienspekulation, antisemitisches Ressentiment. Ist das Stück „Müll-Stadt-Tod“ heute wieder relevant?“

Einen langen Titel hat Peter Menne gewählt, als er am Donnerstag referierte. Im gut besuchten Club Voltaire entwickelte sich eine lebendige Diskussion. Michael Töteberg, der ehemalige Fassbinder-Lektor, führte ins Thema ein.

Wobei es nicht nur um das Drama „Der Müll, die Stadt und der Tod“ ging, sondern zugleich um den Roman „Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond“ von Gerhard Zwerenz. Vor allem aber ging es Menne um die Frage, ob Literatur die gesellschaftliche Wirklichkeit angemessen spiegelt. Denn die falle – so der Frankfurter Aktivist – heute wie zuzeiten der Stückentstehung manchmal krass aus: er erzählte eine Begebenheit, wie schnell antisemitische Vorurteile wieder wilde Blüten treiben, bevor er seine Leitthese vorstellte: „Literaten greifen gesellschaftliche Debatten nicht nur in ihren Texten auf, sondern greifen damit auch in die Debatte ein. Da stellt sich die Frage: ist‘s ein kritischer Blick, einer, der Probleme erhellt? oder ein beschönigender? Gibt das literarische Werk einen Input in Richtung humanere Welt?“

Der Referent verglich die beiden Texte miteinander und wie beide die gesellschaftlichen Verhältnisse reflektieren. Beide erschienen in den 1970ern, doch Peter Menne zeigte auf, dass Fassbinders Drama heute noch bzw. heute wieder hochaktuell ist.

Bei seinem Buch „Die Dramatisierung eines Romans“ handelt es sich um seine Magisterarbeit – auch schon etwas älter, doch dieses Jahr erstmals bei Alibri im Druck erschienen. Moderator Töteberg (der im Hauptberuf Literatur für den Rowohlt-Verlag sichtet), betonte, dass das die erste wissenschaftliche Arbeit sei, die mit der eigenwillig verzerrten Rezeption in Deutschland breche. Besonders wertvoll: keine Arbeit, die aus einer Verteidigungshaltung heraus geschrieben sei, sondern ganz nüchtern sowohl auf die Texte wie die zugrundeliegende Frankfurter Stadtpolitik guckte.

Für Menne die entscheidende Frage: wird gefragt, wie das System funktioniert? Oder beschränkt sich die Kritik auf das Verhalten einzelner Personen, ohne systemische Zusammenhänge in den Blick zu nehmen? Dann verkürze sich die Kritik schnell auf die an einzelnen „bösen Buben“. Schlimmer: je oberflächlicher der Blick, um so leichter kippt die Sichtweise ins Stereotype, ins Vorurteil – von denen ein paar immergleiche seit langem parat stehen.

Die Diskussion begann zunächst auf dem Podium, wurde rasch lebendig, als Karlheinz Braun, der Gründungsgeschäftsführer des Verlags der Autoren, Hintergrundwissen zur Stückentstehung und zur Motivation Fassbinders beisteuerte.

Insgesamt folgte der Saal Mennes Resumée, dass „Der Müll, die Stadt und der Tod“ „nicht das einzige Theaterstück ist, dass sich gegen Vorurteil, antisemitisches oder rassistisches Ressentiment wendet. Genauso ist Theater natürlich nicht das einzige Mittel, sich gegen solche Fehlentwicklung zu stemmen – aber es ist ein mögliches, um Diskussion in Gang zu bringen. Insofern wünsche ich dem Stück, dass es nicht nur international, sondern auch in Deutschland öfter.

Der Doppelband "Die Dramatisierung eines Romans" erschien im Alibri Verlag.

Peter Menne: Die Dramatisierung eines Romans. Eine vergleichende Untersuchung zu Gerhard Zwerenz: „Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond“ und Rainer Werner Fassbinder: „Der Müll, die Stadt und der Tod“ . Mit einem Vorwort von Michael Töteberg. 206 Seiten, kartoniert, Euro 24.-, ISBN 978-3-86569-142-2 erschienen 2018

Text: © Oliver Kalldewey - Foto: Peter Menne und Michael Töteberg

GegenBuchMasse2018 - Menne am 08.11.18

Rückblick GegenBuchMasse 2018

10. Oktober 2018:

Franz-Josef Wetz: Exzesse. Wer tanzt, tötet nicht

Franz Josef Wetz begann die diesjährigen GegenBuchMasse-Lesungen in Frankfurts Club Voltaire. Auf Einladung der Humanistischen Gemeinschaft Neu-Isenburg und eben des Club Voltaire las er aus seinem Buch "Exzesse. Wer tanzt, tötet nicht". Peter Menne begrüßte den Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung und moderierte den Abend.

Wetz begann mit einer Diagnose: In der Evolution habe sich der Mensch vom Raubtier zum zivilisierten Wesen entwickelt, seine dunklen Impulse sublimiert. Gewalt ist zwar auch heute noch alltäglich – doch wer dafür nur gesellschaftliche, politische oder religiöse Ursachen verantwortlich mache, übersehe die dunkle Seite der Natur des Menschen. Wetz verwies auf die actes gratuites: absurde, meist gewalttätige und zerstörerische spontane Handlungen ohne Sinn oder nachvollziehbare Motivation.

Es gelte, die soziobiologische Verankerung dieser "dunklen Natur" anzuerkennen. Wenn sie sich mit Häkeln und Händchenhalten nicht einhegen lasse, gelte es Formen zu suchen, in denen die Leidenschaften sozialverträglich ausgelebt werden können. Wetz verwies auf Feste der Leidenschaft: Schon in frühen Kulturen lassen sich Orgien, Feste mit wilden, spontanen Ausbrüchen aus dem jeweiligen Alltag nachweisen. Oder lebenszyklusgebundene Feiern – die früher oft religiös geprägt waren, heute aber mit beispielsweise dem zügellosen Saufen beim Junggesellenabschied nur einen Abglanz darstellen.

Der Mensch bedürfe solcher Ventile, um seine Impulse auszuleben. Das reiche vom "Clubbing", dem Durchtanzen auch mehrerer Nächte, teils unter Zuhilfenahme von Aufputschmitteln, über Swingerpartys bis hin zu einverständigen Sado-Maso-Beziehungen. Wenn solche Handlungen, auch Gewalttaten, spielerisch und sozialverträglich blieben, könnten sie den Alltag nicht ersetzen – wohl aber ergänzen.

Schade, dass der Vortrag mit knapp über zwanzig Gästen nur mäßig besucht war. Auch das brandneue Buch von Franz Josef Wetz: "Tot ohne Gott. Eine neue Kultur des Abschieds", lag noch nicht fertig gedruckt, sondern nur als Ankündigung des Alibri-Verlags vor. Die von Peter Menne souverän moderierte, anregende Diskussion entschädigte dafür ein wenig.

Franz-Josef Wetz, Exzesse. Wer tanzt, tötet nicht, 261 Seiten, Klappenbroschur, ISBN 978-3-86569-197-2, 18,00 Euro
Text und Foto: © Oliver Kalldewey

GegenBuchMasse2018 - Wetz am 08.11.18

Rückblick GegenBuchMasse 2018


12. Oktober 2018:

Die Identitären: wie rechtsextreme Ideologie popularisiert wird

Vor dem vollbesetzten Club Voltaire erläuterte Kathrin Glösel das Entstehen und die Verbreitung der neuen rechtsextremen Bewegung "die Identitären". Gegen Vergessen e. V. und der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–45 hatten die Referentin von der BIWAZ – Bildungswerkstatt für Antifaschismus und Zivilcourage aus Wien eingeladen.

Cora Mohr vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–45 moderierte den Abend, den Kathrin Glösel mit einer Einordnung begann: die Neurechten unter den (moralischen) Kampfbegriff "Nazi" zu packen, sei nicht immer hilfreich. Um die Rechte wirksam zu bekämpfen, gelte es, da Abstufungen zur Kenntnis zu nehmen – auch wenn einem alle Positionen sauer aufstoßen würden. Mit der Einordnung als "rechtsextrem" liege man immer richtig.

Entstanden sind die Identitären in Frankreich: als Bewegung junger Leute, die im vorpolitischen Raum aktiv sein wollten. Also keine Parteiarbeit oder Kandidatur, sondern direkte Aktionen, von der äußeren Form her ähnlich wie linke Aktionen oder dem italienischen Politstrategen Antonio Gramsci abgekupftert. Dazu gehören Störungen von Vorlesungen oder das Besetzen einer Moschee-Baustelle inkl. Aufhängen von Transparenten. Die umfangreichste Aktion war das Chartern eines Schiffes, um andere Schiffe am Retten schiffbrüchiger Migranten aus dem Mittelmeer zu hindern – eine hasserfüllte Aktion, die zudem gegen das Seerecht verstößt und zum Glück scheiterte.

Über veränderte Begriffe versuchen Identitäre, eine Diskurshoheit zu gewinnen. So prägten sie den Begriff "Ethnopluralismus" – erst wenn man genauer nachfrage, entpuppe sich das als fein säuberliches Auseinanderhalten verschiedener Menschen, also als radikal gesteigerte Apartheid.

Die Gruppe ist in Deutschland eher klein, vielleicht 400 Personen – wirkt aber größer, da sie eine professionelle Medienarbeit betreiben. Ihr Wirkungskreis ist noch gefährlicher: Denn es gibt Schnittmengen zur AfD. Manche Identitären-Exponenten arbeiten als Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten – wo sie deren Gedankengut weiter nach rechts rücken können.
Der informative Abend endete mit breiter Diskussion darüber, wie man am besten dagegen vorgehen kann.

Julian Bruns, Kathrin Glösel, Natascha Strobl, "Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa" – 3. akt. Auflage ISBN 978-3-89771-224-9

Kathrin Glösel, Hanna Lichtenberger, UNBEUGSAM & UNBEQUEM. Debatten über Handlungsräume und Strategien gegen die extreme Rechte, ISBN 978-3-89771-232-4

Text: © Oliver Kalldewey - Foto: © Dragan Pavlovic

GegenBuchMasse 2018 - Glösel am 08.11.18