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2. Februar 2017:

Chemtrails - Weltverschwörung oder Wetterphänomen?

Was sind eigentlich „Chemtrails“, wem nutzen, wem schaden sie? Fragen rund um die Verschwörungstheorie beantworteten Holm Hümmler und Martin Schmidt fundiert: Die beiden brachten nicht nur Grundlagen der Meteorologie, sondern auch naturwissenschaftliche Experimente in Frankfurts gesellschaftskritisch orientierten Club Voltaire. Auf Einladung der GWUP – Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften referierten der Doktor der Physik und der Professor für Chemie, unterstützt von einem Dipl.-Geologen, über Wettergrundlagen im allgemeinen und das Auftauchen des Chemtrail-Phänomens im besonderen.

Dass Wolken sich um Kristallistationskeime bilden, klingt trocken – auch wenn‘s dazu vor allem feuchter Luft bedarf… Anschaulich wurde das, was zuvor auf Folien skizziert ward, als Sascha Staubach den Luftdruck in einem durchsichtigen Plastiktopf mittels Vakuumpumpe reduzierte: im Bühnenlicht wurde etwas Nebel erkennbar. Für den zweiten Durchgang wurde Streichholz abgebrannt: die kleine Luftverschmutzung reichte, um bei erneutem Evakuieren eine dicke Wolke zu erzeugen.

Doch bevor Martin Schmidt Wolken- und Kondensstreifenbildung erläuterte, verbunden mit einer Reihe eindrucksvoller Photos, auch von Halos (einem Wetterphänomen etwas seltener als ein Regenbogen), führte Holm Hümmler in das Phänomen „Chemtrails“ ein: Erstmals aufgetaucht sei der Begriff in den USA etwa im Jahre 2000. Ca. 2003 schwappte er nach Deutschland über – und schien sich bald erledigt zu haben. Doch seit 2012 sind „Chemtrails“ wieder Thema: was wie Kondensstreifen am blauen Himmel aussehe, seien tatsächlich von Flugzeugen versprühte Gifte – so die Chemtrail-Warner.

Auf Bildern von blauem Himmel mit ein paar Wölkchen wird auf Anomalien hingewiesen. Wovor man sich genau fürchten solle, darin sind sich die Chemtrail-Warner nicht einig: mal sollen es Krankheitserreger sein, die da versprüht werden, mal sei es eine Massenimpfung. Schwefelsäure oder diverse andere Gifte zwecks Reduzierung der Weltbevölkerung oder technische Unterstützung für Funksender, die Erdbeben erzeugen sollen – giftig sei jedoch allemal, was sich am Himmel wie ein Kondensstreifen abzeichne.

Wie und in welcher Höhe sich Cirren = Eiswolken bilden, das hatte der Wolkenchemiker Prof. Schmidt erklärt, um die Parallele zum Kondensstreifen zu ziehen: letztlich nichts anderes als eine langgezogene Wolke. Denn ein Flugzeugtriebwerk stößt auch sehr heißen Wasserdampf aus – neben CO2, Ruß und anderen Partikeln. Auf der Standardflughöhe von ca. 10.000 m herrschen minus 50 Grad: schon bald, nachdem der Wasserdampf die Turbine verlassen hat, gefriert er zu kleinen Eiskristallen. Die Luftfeuchtigkeit ist genau da sehr hoch – und der Ruß wirkt als Kondensationskeim: beschleunigt die Wolkenbildung in großer Höhe so, wie gerade mit kleinem Streichholz eindrucksvoll vorgeführt. Was die Warner „Chemtrail“ nennen, ist in Wahrheit nichts anderes als ein Kondensstreifen, eine künstlich erzeugte Wolke aus Eiskriställchen, die sich nicht von natürlichen Eiswolken unterscheidet.

Chemtrail-Warner: ein paar Esoteriker, die etwas zu feinstofflich www.psiram.com Feinstofflichkeit gefühlt haben? Einfach eine neue Verschwörungstheorie, noch etwas kruder als die bisherigen? – Nein, „inzwischen braucht man das ja nicht mehr leugnen. Heut kommt das im Bayrischen Rundfunk“, so Rüdiger Dahlke, Arzt, Psychotherapeut und Bestseller-Autor. Seine Heilmethoden sind nicht unumstritten – doch sein Buch „Krankheit als Weg“ machte Dahlke populär: Seine Werke stehen in praktisch jeder normalen Buchhandlung und in den Bücherregalen gar zu vieler gutbürgerlicher Haushalte. Genaue Zahlen gebe es nicht, doch in der Diskussion meinte Hümmler, dass ca. fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung an „Chemtrails“ glauben würden.

Spannend – und besorgniserregend, wer dazu zählt: denn vor Chemtrails gewarnt wurde z.B. auf den Montagsdemos der „völkischen Friedensbewegung“ in Halle oder Berlin. Eingebettet zwischen bunt gemischte Warnungen vor HAARP oder TTIP / CETA griffen „Reichsbürger“ das Thema auf. Werner Altnickel, ex-Greenpeace, später Mitgründer der Bürgerninitiative „Sauberer Himmel“, von der er sich inzwischen mit eigener Bewegung abgespalten hat, verrät in seinem Video, wer hinter den Chemtrails stecke: das Judentum in seinem Kampf um Weltherrschaft. Ähnliche Nazi-Phantasien fanden sich auf dem (inzwischen abgeschalteten) Stop ESM-Blog: „Leute, aufwachen! … Chemtrails und die Ausrottung der Deutschen und der weißen Rassen ganz allgemein durch Überfremdung mit parallel dazu angestrebtem Bürgerkrieg sind nur zwei Verbrechen von galaktischem Dimensionen ...“. Die Sorge vor angeblicher neuer Umweltbelastung wird von Neonazis genutzt, um ihr völkisches Gedankengut zu verbreiten.

Hümmler betonte: nicht jeder, der sich vor „Chemtrails“ fürchte, ist ein Nazi. Tatsächlich gebe es da viele Fraktionen – die sich gegenseitig widersprechen, was denn nun in den „Chemtrails“ drin sein solle, wer sie denn versprühe (wahlweise der CIA, der KGB oder der Mossad…). Doch grob ließen sich zwei Gruppen unterscheiden: reine Esoteriker und solche, die als Nazis auf eine Querfront (mit Umweltschützern o.ä.) zielen.

Vortrag und anschließende Diskussion lieferten zuverlässige Information und gute Gründe, um den Verschwörungstheoretikern contra zu geben. Eher skeptisch betrachteten die Referenten aber die Chance, „Chemtrail“-Warner von ihren absurden Vorstellungen abzubringen – zumal Misstrauen ein evolutionärer Vorteil gewesen sei, so Hümmler.

Der Vortrag ist in voller Länge auf YouTube zu finden.
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